Nach entbehrungsreicher und langer Zeit des Geizes und des Sparens sei nun für Luise die Zeit größerer finanzieller Freiheit eingetreten. Die ganze Kohle befinde sich in einem ETF-Portfolio, das im langfristigen Schnitt 7% Rendite abwerfe. Die Rendite von 7% sei unglücklicherweise nicht konstant sondern unterliege starken Schwankungen. Zum Beispiel durch Dividenden oder Verkauf von Anteilen plane Luise jeden Monat einen gewissen Betrag zu entnehmen.

Bevor ich hier weiter eine Geschichte mit Finanzbezug erzähle, weise ich darauf hin, dass ich so gar kein Finanzexperte bin, sondern nur eine Privatperson, die sich für ihre eigene Altersvorsorge und andere Finanzthemen interessiert, daher solides Halbwissen anhäuft und dabei auf seinen mehr oder weniger gesunden Menschenverstand vertraut und hin und wieder einen Rechner programmiert.

Es sei Luise eine 51-jährige Sachbearbeiterin im Bereich datengetriebener mathematischer Modelle für die Automatisierung der Produktionsprozesse mittelständischer Maschinenbauer. Sie habe ein ETF Portfolio im Wert von 433754 Euro erwirtschaftet und möchte die Rendite als passives Einkommen entnehmen. Ihre Nachkommen seien verwöhnt und gierig. Daher möchte Luise lieber mehr Geld selber nachhaltig verkonsumieren und den zu vererbenden Betrag nicht unnötig in die Höhe treiben. Welchen Betrag kann Luise jeden Monat entnehmen ohne ihr Portfolio schnell zu verkonsumieren? Wie so oft lautet die Antwort: “It depends.” Wir schauen uns dazu zwei Szenarien an. Diese und noch mehr lassen sich mit unserem Rechner simulieren.

Das Worst-Case-Szenario ist der frühe Crash

Wenn es direkt zu Beginn der Entnahmephase zu einem Crash von Luises ETF-Portfolios kommt, werden ihre Ersparnisse deutlich schneller aufgebraucht sein. Wir sehen im folgenden Plot zwei Kursverläufe mit sehr ähnlicher jährlicher Rendite von ca. 7%. Der Verlauf Early Crash crashed direkt am Anfang und holt dann auf. Die andere simulierte Zeitreihe namens Wobble crasht nicht am Anfang wabert aber später etwas mehr vor sich hin.

Die Zeitachse ist übrigens Willkür unsererseits. Luise kann jeden Monat 1200 Euro entnehmen und wird im Worst-Case*Das ist nur ungefähr der Worst case. Sieht aber realistischer aus als der echte Worst-Case. Early Crash nach 30 Jahren den finalen Wert von fast 420000 Euro erhalten. Im Wobble-Szenario hat sich ihr initiales Kapital trotz Entnahme von 1200 Euro pro Monat nach 30 Jahren dagegen mehr als vervierfacht. Wobblend kann Luise sogar 2400 Euro entnehmen und nach 30 Jahren immernoch mit schwarze Zahlen schreiben. Die genauen Zahlen sind in der folgenden Tabelle zu finden.

Entahme pro Monat Szenario Finaler Wert $\cdot$ / 433754
1200 Euro Early Crash 419 893 Euro 0.968
1200 Euro Wobble 1 889 471 Euro 4.356
2400 Euro Wobble 526 122 Euro 1.213

Die Simulation beider Kurse kann direkt im Rechner eingesehen und als Grundlage für Berechnungen verwendet werden.

Welche Handlungsempfehlung können wir Luise geben? Soll sie sehr konservativ nur 3.5% entnehmen, was den 1200 Euro entspricht, und einen Haufen Kohle ihren undankbaren Nachkommen vererben? Oder existiert noch einen Zwischenweg?

Adaptive Entnahme

Wir betrachten die folgende Regel. Wenn der Wert des Portfolios zum Monat $i$ den initialen Wert überschreitet, entnehme 2400 Euro. Ansonsten entnehme 1200 Euro. Damit hätte Luise im Early Crash-Szenario kaum mehr Verlust. Im Wobble-Szenario würde Luise aber nur 736220 Euro anhäufen und hätte deutlich mehr Geld ihren gierigen und verwöhnten Nachkommen vorenthalten können als bei sehr konservativer konstanter Entnahme von 1200 Euro pro Monat, siehe Rechner.

Eigene Entnahmegeschichten rechnen

  1. Öffne https://bertiqwerty.com/balance.
  2. Erstelle die Simulation.
    1. Klicke auf Simulate price development.
    2. Verwende Advanced->Add Crash wenn der simulierte Kurs an einer bestimmten Stelle abstürzen soll.
    3. Klicke auf Run simulation gefolgt von Add price development for balance computation.
  3. Gebe die Zahlungen an.
    1. Ins Feld Initial capital gehört das Startkapital.
    2. Unter Monthly payments kann die monatliche Entnahme als negative Zahl eingetragen werden. Es sind auch Formeln möglich, wobei die Variable aw für den aktuellen Wert des Portfolios im entsprechenden Monat und ik für das initiale Kapital verwendet werden können. Beispielsweise entspricht die Formel 1200 if aw < ik else 2400 der Regel Luises im vorherigen Abschnitt, da wir Python-esque if-else-Ausdrücke unterstützen.

Viel Spaß beim Simulieren!